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Tell Their Stories









































Einen Schritt weiter

Von Say Their Names zu Tell Their Stories

Am 22. Juli 2016 wurden Armela Segashi, Can Leyla, Dijamant Zabërgja, Guiliano Kollmann, Hüseyin Dayıcık, Roberto Rafael, Sabine Sulaj, Selçuk Kılıç und Sevda Dağ Opfer des rechtsterroristischen Anschlags am Olympia Einkaufszentrum (OEZ) in München.

Wenn Sie dieses Scrollytelling lesen, gehen Sie einen Schritt weiter. Einen Schritt, der Ihnen einen Einblick in das Leben der neun am OEZ ermordeten Menschen gewährt. Geschrieben wurden die hier veröffentlichten Texte von Angehörigen der Opfer, mit dem Ziel, neben den Namen auch die Geschichten der von ihnen geliebten Menschen im kollektiven Gedächtnis zu verankern. Armela, Can, Dijamant, Guiliano, Hüseyin, Roberto, Sabine, Selçuk und Sevda wurden durch einen rechtsterroristischen Anschlag aus dem Leben gerissen, aus ihren Familien, ihren Freundeskreisen und aus dieser Stadt. Sie waren dabei, Pläne zu schmieden, hatten Ziele erreicht. Sie haben Wünsche und Träume mit ihrem Umfeld geteilt. In diesem Heft erzählen die Hinterbliebenen die Geschichten der Opfer, Geschichten, die lange ungehört blieben.

Seit dem Anschlag am 22. Juli 2016 setzen sich Angehörige und Nahestehende dafür ein, dass die Namen der Opfer nicht vergessen werden und sich weder das Verdrängen noch das Beschweigen der Tat über ihren Schmerz legen. Bis heute informieren sie die Gesellschaft über das, was doch längst bekannt sein sollte: dass der Täter nicht spontan und aus dem Affekt handelte, sondern die Tat plante und den Tag, den Ort und die Opfer gezielt auswählte; dass er die Tat exakt fünf Jahre nach den rechtsterroristischen Anschlägen in der norwegischen Hauptstadt Oslo und auf der nahegelegenen Insel Utøya beging — am 22. Juli 2011 starben 77 Menschen, darunter zahlreiche Kinder und Jugendliche; dass die Schüsse nicht zufällig rund um das Einkaufszentrum im Münchner Stadtteil Moosach fielen, einem beliebten Treffpunkt von Jugendlichen, viele davon mit Migrationsgeschichte; dass der Täter sich in rechten Chatgruppen vernetzt und schon Jahre vor dem 22. Juli 2016 rassistische Äußerungen und Morddrohungen formuliert hatte. Noch immer wissen viele Menschen in München und der gesamten Bundesrepublik nicht, dass der Anschlag am OEZ sich in die verstörende und beschämende Liste antisemitischer, rassistischer und antiziganistischer Gewaltakte seit dem Zweiten Weltkrieg einreiht: Erlangen, München, Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda, Mölln, Solingen, Nürnberg, Kassel, Halle, Hanau — das sind nur einige der vielen Städtenamen, die insbesondere für die Betroffenen für rechten Terror in Deutschland stehen. Nach dem Anschlag am 19. Februar 2020 in Hanau verbreitete sich die Losung Say Their Names (Sagt ihre Namen), ein Ausruf der ursprünglich auf die Erfahrungen von rassistischer Polizeigewalt in den USA aufmerksam machte und vor allem nach der Ermordung von George Floyd am 25. Mai 2020 weltweit aufgegriffen wurde. Die Losung Say Their Names fordert uns dazu auf, den Blick der Gesellschaft auf die Opfer rechter Gewalt zu lenken und ihre Namen immer und immer wieder auszusprechen, so dass sie niemals in Vergessenheit geraten.

Die hier versammelten Texte knüpfen an diese Forderung an — und gehen einen Schritt weiter. Sie helfen uns dabei, die Menschen hinter den Namen kennenzulernen. Auf den folgenden Seiten erinnern die Angehörigen an Armela, Can, Dijamant, Guiliano, Hüseyin, Roberto, Sabine, Selçuk und Sevda. Sie verleihen ihrem Schmerz auf unterschiedliche Weise Ausdruck, einige mit Worten, andere wortlos und in Stille. Alle Beiträge vereint die Hoffnung, dass wir die Namen und die Geschichten der Opfer im Gedächtnis behalten — und dass wir im Andenken an die Ermordeten und in Solidarität mit den Hinterbliebenen alles dafür tun, Hetze, Hass und Menschenverachtung eine Praxis der Mitmenschlichkeit, des Zusammenhalts und der Empathie entgegenzusetzen.



«Sie hat uns ein Gefühl von Geborgenheit gegeben»

Rede von Arberia Segashi, Armelas Schwester, anlässlich des siebten Jahrestages des Anschlags

Hallo, mein Name ist Arberia. Ich bin die Schwester von Armela Segashi. Meine Schwester Armela ist heute vor sieben Jahren bei einem rassistischen Attentat ums Leben gekommen. Wie viel falsch gelaufen ist oder was man hätte anders machen können, sind Fragen, die uns immer wieder durch den Kopf gehen — und es ist auch in Ordnung und wichtig, sich damit zu befassen, damit solche Taten verhindert werden. Den heutigen Tag und das, was ich hier sage, möchte ich den neun Menschen widmen, die uns Familien, aber auch dieser Stadt genommen wurden, Can, Dijamant, Guiliano, Hüseyin, Roberto, Sabine, Selçuk, Sevda und meiner Schwester Armela.





Bei uns zu Hause war es immer ziemlich still und ruhig, bis Armela auf die Welt kam. Sie hat Wind in unsere Familie gebracht, sie hat das Haus zum Leben erweckt. Mit ihrem friedlichen Gemüt hat sie es jedes Mal geschafft, uns auch in stressigen oder ernsten Situationen in unserem Leben das Gefühl von Ruhe und Hoffnung zu geben. Mit ihrer offenen, lockeren und positiven Art hat sie es jedes Mal geschafft, die Menschen um sich herum für sich zu gewinnen. Sie hat uns ein Gefühl von Geborgenheit gegeben, das Gefühl, jemanden zu haben, dem man Vertrauen kann. Egal, wer ein Problem hatte, oder ob jemanden etwas bedrückt hat, wir wollten immer zu Armela. Ich bin heute 25 und weiß manchmal selber noch nicht, was ich will oder was mir gefällt, aber sie hatte schon in ihren jungen Jahren für sich selbst entschieden, was sie für Zukunftswünsche hat und wo sie sich jetzt zu dieser Zeit gesehen hätte.

Sie hat oft lachend gesagt:

«Für was brauche ich Mathe oder die Schule, ich mache meinen Abschluss und werde Make Up Artistin.»

Leider wurde ihr dieser Traum genommen.





Manchmal wirkt es für mich so, als ob sie ihr Schicksal kannte und deshalb in ihren nur 14 Jahren versucht hat, uns auf verschiedenste Arten und Weisen zu begegnen, damit wir in jeder Situation eine passende Erinnerung an sie haben. Sie ist viel zu früh gegangen, doch hat es trotzdem geschafft, uns so viel da zu lassen. Sie war mal eine Braut und zog sich ein Kleid an, mal spielte sie unsere kleine Oma mit Krückstock und Kopftuch, mal war sie ein Model in Mamas hohen Schuhen. Sie spielte auch gerne Lehrerin und zauberte uns jedes Mal aufs Neue ein Lächeln ins Gesicht, ohne zu wissen, dass ihr Leben uns wirklich eine Lehre sein wird. Meinen Bruder wollte sie auch nicht allein lassen. Mit ihm hat sie abgemacht, dass sie zu ihm zieht, wenn er mal heiratet, damit sie immer seine Klamotten anziehen kann.

Was ich an meiner Schwester immer sehr beneidet und geschätzt habe, war, dass sie nie streiten wollte und alles Schlechte, was zwischen ihr und anderen Menschen stand, sofort aus der Welt schaffen wollte. Denn das Leben, wie man sieht, ist viel zu kurz, um aufeinander böse zu sein. Trotz ihrer friedlichen und positiven Einstellung wurde sie aus diesem Leben gerissen, aus unserem Leben. Zu Hause ist es wieder still und ruhig. Dieser frische Wind weht nicht mehr wie früher, es ist still, viel zu still. Es wird von Tag zu Tag immer unerträglicher und schmerzhafter.









Und nein, die Zeit heilt keine Wunden. Man lernt, stärker zu werden und sich durchs Leben zu kämpfen. Ich vermisse dich, Armela, ich vermisse dich, deine Anwesenheit, dein Dasein, deine wunderschöne Stimme, dein ansteckendes Lachen, ich vermisse deine Nähe und Wärme, deine liebevollen Umarmungen und sogar deine zickige Art. Jede Minute, jede Stunde, jeden Tag, immer mehr und mehr, und es wird nicht leichter. Es tut weh, dich nicht mehr bei mir zu haben und dieser Schmerz sitzt tief, so tief, Armela, und ich weiß nicht, was ich machen soll, ich weiß nicht, wie ich weiter machen soll, ich weiß nicht, ob ich dieses Leben jemals wieder lieben werde.

Der Tod schien mir immer ganz weit weg. Es kommt mir wie gestern vor, als wir gemeinsam im Bett lagen und uns so vertrauten. Du warst meine Zuflucht, du warst der eine Punkt, den ich fixiert habe. Armela, du fehlst mir, wenn etwas Gutes in meinem Leben passiert, weil ich es gerne mit dir zusammen erlebt hätte. Du fehlst mir, wenn ich sauer bin, weil du mich verstehen würdest und ich bei dir Rat finden könnte. Du fehlst mir, wenn ich lache und weine, weil ich weiß, du würdest mit mir lachen und meine Tränen mit mir teilen, aber am meisten nachts, wenn ich realisiere, dass der Platz neben mir leer ist.





Ich wünsche mir einfach, ich könnte auf Wolken gehen, dir in deiner Welt begegnen und dich umarmen, dich festhalten und nie mehr loslassen, dir sagen, wie endlos ich dich liebe, Armela.

Du hast mir immer das Gefühl geschenkt, dass ich genug bin. So wie ich war, war es für dich perfekt. Du wolltest nicht mehr, als ich war. Für dich war ich deine Schwester, der du allein durch deine Anwesenheit gezeigt hast, dass du sie liebst. Bedingungslos liebst. Seit du weg bist, fehlt mir dieser Mensch, der mir dieses Gefühl schenkt, dass es okay ist, wie ich bin und wie ich damit umgehe. Egal ob Trauer oder Freude, ich habe das Gefühl, dass ich es niemandem recht machen kann, und das will ich auch gar nicht mehr. Menschen zu beweisen, dass ich traurig bin, Menschen zu beweisen, dass ich nicht mehr die bin, die ich mal war, dass ich mit mir selber zu kämpfen habe. Aber wahrscheinlich ist es einfach die Tatsache, dass ich ein Gefühl suche, das mir außer dir niemand geben kann. Keiner weiß, wie es ist, vor deinem Grab zu stehen, deinen Namen zu lesen und zu realisieren, dass du nicht mehr da bist.







Ich liege abends weinend im Bett, ich halte während dem Schlafen nicht mehr deine Hand, ich habe diese Leere in mir und diese Lücke wird keiner mehr füllen können. Vielleicht zeige ich es nicht, aber es tut weh. Das Leiden hört nie auf und ich muss damit leben. Ich will damit nicht leben. Ich weiß auch nicht wirklich, was mich antreibt, weil ich denke, keinen Antrieb zu spüren. Doch dann merke ich, dass jeder Tag, der vergeht, mir den Tag, an dem ich dich wiedersehe, näherbringt. Ich weiß, wir werden uns wiedersehen. Obwohl du nicht mehr hier bist, erzähle ich mit ganz viel Stolz von dir, als wärst du nie gegangen und ich tue es immer wieder. Heute, morgen, bis ich wieder bei dir bin.

Ich liebe dich, mein Engel, und ich weiß, dass du mir weiterhin die Kraft geben wirst, all diesen Schmerz und diese Trauer zu überwinden. Du bist immer bei mir, bei uns, Armela. Ich liebe dich bis zu meinem letzten Atemzug.







«Wir vermissen seine Stimme, sein Lachen, seine liebevollen Augen»

Von Sibel, Hasan und Ferit Leyla

Can wurde am 5. November 2001 im Münchener Stadtteil Moosach geboren. Er war der Augenstern unserer Familie; die Aufmerksamkeit lag stets auf ihm. Als sein älterer Bruder und als seine Eltern versuchten wir, ihm Liebe, Familienwerte und Mitgefühl beizubringen. Can war der wertvollste Teil unseres Lebens; jeder Moment mit ihm gab unserem Leben Sinn. Can war sehr glücklich, bei uns zu sein und dass wir seine Familie waren. Seine Zuneigung drückte er sogar in einem Brief aus, den er in der zweiten Klasse schrieb:

«Mama, Papa und Bruder, ich bin so froh, dass ihr meine Familie seid, dass ich euch habe und ich liebe euch sehr.»

Dieser Brief wird jetzt in einer Wanderausstellung gezeigt.





Da wir unter der Woche wegen der Arbeit keine Zeit miteinander verbringen konnten, nutzten wir das Wochenende, um mit ihm zu spielen. Er sagte immer: «Mama, können wir heute einen Familienabend machen?» Sein Lieblingsspiel war Monopoly. Wenn er spielen wollte, lehnten wir nie ab und spielten immer mit ihm. Seit jenem Tag haben wir nie wieder ein Spiel gespielt und mit seinem Fortgehen verwandelten sich diesen Familienabende in eine reale und endlose Dunkelheit.

Can war ein talentiertes Kind im Sport und sein ganzes Leben drehte sich um Fußball. Seine Leidenschaft für Fußball begann in sehr jungen Jahren und brachte ihn dazu, aus 2500 Kindern für eine Fußballschule ausgewählt zu werden. Can war in der achten Klasse. Sein Interesse am Fußball war so groß, dass er fast alle Fußballspieler kannte. Sein größter Traum war es, eines Tages ein professioneller Fußballspieler wie Ronaldo zu werden. «Wenn ich eines Tages Fußballspieler werde und ein Tor schieße, werde ich auf dem Spielfeld schreien: ‹Das ist für meine Mama!›», sagte er. Wenn er von diesem Traum sprach, leuchteten seine Augen und sein Glück erwärmte unser Herz.



Can zeigte nicht nur auf dem Fußballplatz, sondern in allen Lebensbereichen seine Persönlichkeit. Er war ein von allen geliebtes Kind. Verwandte, Freunde, Cousins und alle, die ihn kannten, wussten, wie mitfühlend und gutherzig er war. Er hatte ein unbeschreiblich schönes Strahlen im Gesicht. Er verbreitete Freude, hatte immer ein Lächeln auf den Lippen und brachte seine Umgebung zum Lachen. Die leicht grüne Farbe seiner Augen verlieh ihm eine besondere Schönheit; er war ein sehr ausgeglichener und glücklicher Junge. Diese Eigenschaften waren für uns als Familie eine Quelle großer Freude und des Stolzes. Cans tragischer Verlust war für uns ein unbeschreiblicher Schock. Dies betraf nicht nur uns als Kernfamilie, sondern auch alle anderen Verwandten und seinen gesamten Freundeskreis zutiefst. Für uns als Familie ist es sehr schwer, diesen großen Schmerz zu verarbeiten und mit diesem Verlust umzugehen.

Als Mutter und Vater begannen wir nach Cans Verlust, uns gegen die Ungerechtigkeiten, die uns widerfuhren, zu wehren. Anfangs wurde der Vorfall als Amoklauf eingestuft, doch das war nicht die Wahrheit. Die Vertuschung dieses rechtsextremen Terroranschlags, die erlebten Ungerechtigkeiten und das Schweigen der Stadt zu diesem Vorfall vertieften unseren Schmerz noch mehr.



Um Cans Andenken zu bewahren und gegen diese Ungerechtigkeit zu kämpfen, taten und tun wir als Familie unser Bestes. Cans Licht wird immer in unseren Herzen weiterleuchten. Sein Mitgefühl, seine Liebe und seine Träume werden für seine Liebsten eine endlose Inspirationsquelle sein. Cans Andenken wird immer eine Quelle der Liebe und Hoffnung für andere bleiben.

Von dem Moment an, als Can geboren wurde, hatten wir einen langen Weg vor Augen und große Ziele für ihn. Auf diesem Weg versuchten wir, unsere Sorgen hinter uns zu lassen, während unsere Hoffnungen vor uns lagen. Denn Can und sein Bruder hatten Ziele, und sie erwartete ein schönes Leben; dieses Leben, das wir uns erträumt hatten, ist ohne ihn unvollständig. Heute können wir, wenn wir zurückblicken, nicht mehr sehen, wie er von einem kleinen Jungen zu einem großen jungen Mann heranwuchs. Acht Jahre sind vergangen, wir tragen unseren Schmerz in unseren Herzen, Köpfen und Seelen. Er wird ewig andauern und niemals enden. Ein Teil von uns wird immer fehlen; unsere Hoffnungen und all das, was wir uns erträumt hatten, sind plötzlich und ohne Vorwarnung aus unseren Händen geglitten. Wir vermissen ihn sehr: seine Stimme, sein Lachen, seine liebevollen Augen, wie er uns «Mama», «Papa» und «Bruder» nannte. Wir vermissen unseren Sohn Can, dank dem unser Zuhause lebendig war ... Jeder Tag ohne ihn hinterlässt in uns eine große Leere und Einsamkeit, und seit acht Jahren ist er nicht mehr in unserem Leben.

Was auch immer wir sagen, es ist zu wenig, unvollständig und halb.





«Am meisten geliebt habe ich seine Bereitschaft zu helfen»

M. Zabërgja über ihren Bruder Dijamant Zabërgja

Die folgende Rede hielt M. Zabërgja, die Schwester von Dijamant Zabërgja, im Oktober 2016, nur drei Monate nach dem Anschlag am OEZ. Der Anlass war eine kleine Trauerfeier, die von der Kirchengemeinde Oberschleißheim in Gedenken an Dijamant organisiert wurde.

Liebe Gemeinde, vielen Dank, dass Sie alle erschienen sind, um meinem Bruder Dijamant zu gedenken. Sein Tod ist die Tatsache, mit der wir zu kämpfen haben, seit jenem Tag, dem 22. Juli dieses Jahres, als er uns auf grausamste Art genommen wurde. Es gibt kaum einen Moment, an dem ich nicht an ihn denke. Ich bin traurig darüber, dass er nicht mehr da ist, dass ich nicht mehr mit ihm reden kann, nicht mehr mit ihm lachen kann. Mit seinem Tod haben wir einen Teil unserer Gegenwart verloren.

Dimo war ein guter Junge mit viel Energie, impulsiv und doch ein warmer Mensch mit einem großen Herzen. Wenn Sie einen ca. 1,84 m großen, schlanken, etwas chaotisch wirkenden, aber auch sehr sympathischen jungen Mann mit meist hochgestylten Haaren zur S-Bahn flitzen gesehen haben, oder an einem schönen Frühlingstag am Schlosspark an Ihnen vorbeispazieren, oder vielleicht im Supermarkt beim Einkaufen mit einem immer fröhlichen Grinsen, dann war das mein Bruder Dimo. Er hat mich und meine Familie oft zum Lachen gebracht.

Dijamant konnte man selten böse sein. Er hatte diesen Dijamant-Charme und dieses wunderbare Lächeln. Damit hat er es immer wieder geschafft, mich dann doch zum Schmunzeln zu bringen. Am meisten geliebt habe ich seine Aufrichtigkeit, seine Bereitschaft, zu helfen. Er hat zugehört und war da. Wir konnten immer auf ihn zählen. Dieses Jahr, am 14. Juli, hatte Dijamant seine Abschlussprüfung zum Fachlageristen und damit seine mittlere Reife geschafft. Ich erinnere mich zurück, es ist gar nicht so lange her. Er war so stolz auf sich. Wir waren so stolz auf ihn. Ich hatte das Gefühl, so langsam, aber sicher wirst Du, Dimo, mein kleiner Bruder, erwachsen. Ein Gefühl, als wärst Du auf dem richtigen Weg im Leben angekommen.

Dein Plan war es, diesen Sommer noch in den Urlaub mit Freunden zu fahren und dann durchzustarten, dein Leben einfach zu genießen. Mit 25 hattest Du Dir vorgenommen, zu heiraten, das perfekte Alter für dich, sagtest Du. Und wenn das gepasst hätte, hättest Du gerne Kinder gewollt, mindestens drei … Ach Dimo, Pläne hattest Du viele, wie wir alle! Doch leider kam es bei Dijamant nicht mehr dazu.

Am 22. Juli verloren mein Bruder und acht weitere Menschen ihr Leben. An diesem Tag begann für uns eine tiefe Trauer, die kaum in Worte zu fassen ist. Der Schmerz ist unendlich. Wir können uns jetzt im Winter nicht mehr gemeinsam über die ersten Schneeflocken freuen oder über die Beleuchtung der Weihnachtszeit. Über die blühenden Blumen im Frühling, die strahlend warme Sonne im Sommer, über die bunten herabfallenden Blätter im Herbst. Dijamant, ich vermisse Dich, wir vermissen Dich so sehr. Kein Tag vergeht ohne Tränen. Nichts ist mehr, wie vorher, und nichts wird mehr so sein, wie vorher. Jeder Tag ohne Dich ist ein Schmerz ohne Aussicht auf ein Ende. Der einzige Trost in dieser Trauer ist die Hoffnung, die Hoffnung, dass wir Dich eines Tages wiedersehen werden, mein geliebter Bruder.

Wir hätten so gerne viel mehr Jahre mit Dir gehabt. Wenn man für einen Menschen so viel Liebe verspürt, wie ich sie für meinen Bruder empfinde, man die Liebe aber nicht mehr zeigen kann, dann ist es eine innerliche Qual. Die einzige Wahl ist, diese Liebe, die ich Dir nicht mehr zeigen kann, an meine Mitmenschen weiter zu versprühen. Damit diese spüren, wie warm und unendlich groß meine Liebe zur Dir ist.

Wir werden Dich nie vergessen, Dimo. Meine persönliche Aufgabe wird es sein, die Erinnerung an Dich am Leben zu halten. Du lebst in uns, Du wechselst nur die Räume, Du lebst weiter und gehst durch unsere Träume.

Wenn Sie, liebe Mitmenschen, an einem schönen sonnigen Tag im Schlosspark spazieren, denken Sie kurz an ihn. Sollten Sie mal wieder länger an der S-Bahn stehen und warten, lächeln Sie bitte kurz hoch zu ihm, es wird ihn freuen.

In Erinnerung an Dijamant Zabërgja, geboren am 24. August 1995 und verwandelt in einen Engel am 22. Juli 2016.















Sieben Jahre später schrieb M. Zabërgja anlässlich des Jahrestages des Anschlags ein Gedicht für ihren Bruder. Sie und ihre Schwester trugen das Gedicht am 22. Juli 2023 im Rahmen der städtischen Gedenkveranstaltung am Denkmal für die Opfer gegenüber vom Olympia-Einkaufszentrum vor.

«Guiliano war ein Familienmensch»

Von Gisela Kollmann, Guilianos Großmutter

Mein Name ist Gisela Kollmann. Ich bin die Großmutter von Guiliano Kollmann, der am 22. Juli 2016 aus rassistischen und rechten Motiven ermordet wurde. Ich war die, die Guiliano als erste in den Armen hatte. Guili, wie wir ihn im Familienkreis liebevoll genannt haben, war ein Kaiserschnitt-Kind. Sein Vater war zu nervös, um mit im OP zu bleiben. Aber ich war dabei. Sofort, als sie Guili aus dem Bauch seiner Mutter genommen haben, hat die Hebamme ihn in ein grünes Tuch gewickelt und hat ihn mir in die Hand gedrückt.

Mein Guiliano war ein braves Baby. Ich hatte ihn schon damals viel bei mir. Aber ab dem dritten Lebensjahr war er fest bei mir. Bis er gestorben ist. Ich bin mit ihm durch seine Kindergartenzeit gegangen, seine Schulzeit und seine Lehre. Durch die guten und die schweren Tage. An den guten Tagen habe ich ihn oft in unser Jugendfreizeitheim um die Ecke gebracht: Die Kiste. Dort hat er viele glückliche Stunden erlebt. Mit seinen Freunden. Sie haben Hip-Hop gemacht. Sogar mit sehr bekannten Rappern wie Farid Bang. Sinto 2000 war sein Künstlername. Er war stolz auf seine Herkunft als Sinto.

Zwanzig Minuten vor dem Anschlag änderte Guiliano Kollmann seinen WhatsApp Status. Weil er gerne rappte, schrieb er sich oft Lines auf. Diese Line war wohl die letzte von Sinto 2000 :

«Wir sind nicht alle reich, aber bluten tun wir alle gleich!»

In jüngeren Jahren hat Guiliano mit großer Begeisterung Fußball gespielt. Zuerst hier beim lokalen Verein in Feldmoching. Er hat ihn immer Feldknoching genannt! Dann wurde er von 1860 München entdeckt. Sie haben ihn zum Sondertraining eingeladen. Im Alter von acht oder neun. Ein Jahr lang hatte er jede Woche zwei bis drei Mal Training und am Wochenende gabs natürlich noch die Spiele. Damals war es sein großer Traum, Fußballer zu werden. Deswegen freut es mich auch sehr, dass der Verein 1860 München ihn jetzt ehrt und erinnert. Für Vater und Sohn waren diese Fußball-Jahre und intensiven Trainingszeiten natürlich etwas Besonderes. Sie haben Wochenendfahrten bis nach Österreich gemacht, um an verschiedenen Spielen teilzunehmen.

Der Traum vom Profi-Fußball ist dann aber leider geplatzt. Guiliano war Diabetiker. Das hat viel Kraft gekostet und war nicht einfach. Guiliano war 1,95 m groß, mit Schuhgröße 46. Durch die Erkrankung war er sehr schlank. Vor seiner Diagnose hat er nur knappe 50 kg gewogen. Es war hart. In dem jungen Alter schon so eine schwere Krankheit. Er hat für sein Alter schon viel durchgemacht. Und das waren diese schlechten Tage. An diesen musste ich ihn durch seine Krankheiten begleiten.

Später habe ich ihn zwei Mal die Woche in die Arbeit gefahren, damit er nicht eineinhalb Stunden früher aufstehen musste. Er hatte sich entschlossen, Offset-Drucker zu werden. Er hat im Alter von 17 bis 18 Jahren in der Druckerei gearbeitet, um ein Gefühl für den Job zu bekommen. Im September 2016 wollte er mit der Lehre beginnen. Er hatte sich schon um alles gekümmert. Der Ausbildungsplatz war ihm sicher. Guiliano war ein hilfsbereiter Junge. In den oberen Stockwerken hatten wir ein paar alte, alleinstehende Damen. Er hat ihnen immer die Einkäufe hochgetragen. Auch im Viertel war er bekannt, er hat alle gegrüßt. Diese Erinnerungen sind wie eine schöne Sage. Aber es war wirklich so. Einmal bin ich schwer an einer Sepsis erkrankt. Er ist jeden Tag nach der Arbeit gekommen und hat mich im Krankenhaus besucht. Die Liebe zu meinen Kindern habe ich immer zurückbekommen.

Er war ein ausgeglichener Mensch. Er war ehrlich, korrekt und aufgeschlossen. Er wollte sich nie lange ärgern oder, dass wir uns ärgern. Wenn wir uns beschwert haben, hat er gesagt: «Mami — Papi — lasst’s bleib’n. Des passt schon.» Außer mit seinen Cousinen, da war er streng. Sie waren eigentlich wie seine Schwestern. Sie sind zusammen aufgewachsen. Die Mädchen sagen nicht mein «Couseng», sondern unser «Prala» (Bruder). Seine Tante hat ihn auch wie einen Sohn behandelt. Guiliano hatte viel Familiensinn. Er war ein Familienmensch. Der Zusammenhalt war ihm wichtig.

Drei Wochen vor dem Anschlag am OEZ hat Guiliano Kollmann an seine Schwester Chantel einen Wunsch gerichtet:

«Egal was passiert, bitte halte immer meinen Namen hoch und kämpfe für meinen Namen.»

Aber er hatte auch sehr viele Freunde. Alle hatten verschiedene Nationalitäten. Sie waren ein eingeschworener Haufen, er und seine Freunde. Kurz nach seiner Ermordung sind sie oft zu uns nach Hause gekommen und haben sich wie früher in Guilis Zimmer zusammengesetzt. Manchmal war mir das auch zu viel. Zu emotional. Aber es zeigte auch, wie sie getrauert haben. Und wie wichtig er ihnen war. Bis heute, auch acht Jahre später, treffen wir seine Freunde immer wieder am Grab. Er hatte wirklich viele gute und treue Freunde. Sie haben sich damals gegenseitig unterstützt und bis heute helfen sie uns. Das sieht man zum Beispiel daran, dass wir gerade eine Fußballmannschaft aufgestellt haben für ein antirassistisches Turnier. Sofort haben sich zehn Freunde von Guili gemeldet. Sie werden ein Team stellen. Ich denke, Guili sitzt auf einer Wolke und schaut auf uns hinab.

Manchmal, an schlechten Tagen oder wenn mir etwas nicht so gelingt, sag ich: «Guili, hilf mir.»

Es fühlt sich an wie ein Seil, das nicht reißen kann. Unsere Familienliebe.





«Hüseyin konnte mit Allen. Er hatte viele Freunde»

Ein Gespräch zwischen Hüseyins Schwester Gülfer, seinem Bruder Sunay und seiner Mutter Nayde.

Hüseyin Dayıcık kam als Drilling zur Welt. Sein Leben verbrachte er in enger Verbundenheit mit seinen beiden Geschwistern Gülfer und Sunay.

GÜLFER Wir haben eigentlich nie Freunde gebraucht, weil wir immer zusammen, also zu dritt unterwegs waren. Und wenn wir uns mit Freunden getroffen haben, dann mit denselben. Wir hatten immer den gleichen Freundeskreis. Von uns dreien war Hüseyin der selbstbewusste. Immer, wenn die zwei Jungs Streit hatten, bin ich dazwischen. Ich habe geschlichtet. Aber es gab nie lange Streit. Nur ganz normale Streitereien unter Geschwistern. Wir waren wirklich sehr eng miteinander. Obwohl ich nicht bei den Jungs in der Klasse war, stand sogar in meinem Zeugnis, ich kümmere mich zu viel um die Jungs. Wir waren unzertrennlich. Später, als Jugendliche, waren Hüseyin und ich immer im Fitness zusammen.

NAYDE Er war immer sehr sportlich, schon als kleiner Junge. Im Alter von fünf Jahren hat er im lokalen Fußballverein angefangen, beim FSV Harthof. Erst als Jugendlicher hat er dann Kickboxen für sich entdeckt.



SUNAY Er hat gekickboxt und wollte Profi werden. Einmal beim Training wurde er angesprochen, ob er nicht in einem Film als Boxer mitspielen möchte. Er hat es abgelehnt. Für seinen Traum, Profi zu werden. Er sagte mir:

«Warum soll ich in einem Film mitspielen? Ich will mich auf den Sport konzentrieren.»

Kurz vor dem Anschlag hatte er sich für sein erstes Turnier angemeldet. Mit 17 Jahren sollte er gegen 30-Jährige kämpfen, wegen der Gewichtsklasse. Das hat ihm nichts ausgemacht. Er wollte unbedingt in den Ring. Er hat auch überall seine Boxhandschuhe mitgenommen. Nach dem Training haben wir im Zimmer weitergeboxt. Damit er auch zu Hause weitertrainieren kann, hat er mir beigebracht, wie ich ihm die Pratzen halten soll. Ich habe mir extra Handschuhe gekauft und dann haben wir trainiert. So viele Abende. Sogar in Griechenland, wenn wir in die Heimat gefahren sind. Er hatte totale Motivation, vor allem, was den Sport anging. Nach dem Fitness hat er weitertrainiert. Ab und zu ist Gülfer zu Hause auch mal zur Trainingshantel gemacht worden.

(Die Geschwister lachen)



Ich habe so viele gute Erinnerungen an ihn. Zum Beispiel in Griechenland, als Papa mir auf dem Feld das Autofahren beigebracht hat. Weil Papa und Hüseyin beim Üben eher aneinandergeraten sind — beide sind manchmal Hitzköpfe — habe ich es ihm dann beigebracht. Wir waren als Brüder sehr eng.

NAYDE Die Zeit der Schwangerschaft mit den dreien und die Geburt war voller Glück, aber natürlich auch schwierig. Nach jeder Routine Untersuchung haben sie ein weiteres Baby gefunden. Meine Arbeitskollegen im Klinikum haben nur noch Witze gemacht. Sie haben mich gebeten: «Jetzt bleib doch bei drei.» Ich war damals 33 Jahre alt. Es war Winter, als ich die drei zur Welt gebracht habe. Ich musste damals vier Wochen im Krankenhaus bleiben. Meistens mussten sie mich im Bett transportieren, zusammen mit den Babys. Der Pfleger rief dann immer: «Macht die Wege frei, wir kommen zu viert!»

Hüseyin ist der Name, den mein Mann und ich weitergeben wollten. Es ist ein Name, der bei uns beiden auf der väterlichen Linie weitergetragen wird. Hüseyin war der kräftige. Er hat sich schon als kleines Baby die größte Flasche ausgesucht. Er hatte immer den größten Hunger. Später als Kind, aber sogar noch als Jugendlicher, waren Fruchtzwerge sein Lieblingssnack.

Als kleiner Junge hat er sich sogar mit der ganzen Packung hinter dem Sofa versteckt, um sie in Ruhe zu essen. Manchmal hat er dann auch zu den Packungen von seinen Geschwistern gegriffen. Als ich ihn einmal gefragt habe: «Hüseyin, wieso isst du die Fruchtzwerge von einer Schwester?» sagte er: «Mama, sie ist zu klein, sie schafft es nicht allein.» (Nayde lacht) Er wollte immer vorne dran sein. Er hat uns immer zum Lachen gebracht mit seinen ständigen Streichen und Witzen. Hüseyin war auch später der offenere Charakter.

GÜLFER Hüseyin konnte mit allen sofort. Er hatte viele Freunde.

NAYDE Eine Gruppe von Freunden aus der Schule hat für ihn ein Erinnerungsbuch zusammengestellt und uns gebracht. Und schon als Jugendlicher hat er Kinder geliebt. Er hat zu mir gesagt, er will zwar nicht heiraten, aber Kinder hat er sich immer gewünscht.

GÜLFER (Sie hat bereits selbst ein Kind und erwartet ein zweites) Er wäre ein fantastischer Onkel geworden.



SUNAY Absolut. Er wäre auch ein cooler Onkel geworden. Mit seinen Freunden hat er zu Hause oft Deutschrap gehört. Wenn er alleine war, eher türkische Lieder. Eines davon hat er nachgesungen und mir als Video geschickt. Ich schaue es mir oft an. Den Text kann man in etwa so übersetzen:

«Sind wir eins mit dir, oder gar nichts? Schaust du mir in die Augen, erblickst du all die Hoffnungen, schaust du mir ins Gesicht, erblickst du all die Lügen. Jene dunklen Wolken lösen sich einfach nicht. Sind wir Schicksal, sag es, oder dem Untergang geweiht?»

Zum Zeitpunkt des Anschlags hat Hüseyin eine Ausbildung bei Hagebau gemacht. Ungefähr eineinhalb Jahre war er bereits dort tätig. Sein alter Arbeitgeber erinnert sich immer noch an Hüseyin. Er sagt, dieser Junge war anders, besonders höflich und hilfsbereit. Er wird ihn nie vergessen. Am 22. Juli 2016, einem heißen Freitagnachmittag, war Hüseyin mit seiner Schwester im Olympia-Einkaufszentrum. Sie wollten ein Geschenk für seine damalige Freundin besorgen und sich mit ihr treffen. Zwei Minuten vor der Tat ruft Nayde ihre Tochter an: «Wo seid ihr? Kommt nach Hause, ich habe Essen gekocht.»

GÜLFER Es war, als hätte sie es gespürt.



Eine Botschaft von Hüseyins Vater Süleyman an seinen Sohn:

Mein Leben, mein Sohn, dein Traum war es, bevor du gestorben bist, in deineHeimat zurückzukehren. Dort Olivenbäume zu pflanzen. Bevor du deine schönen Träume verwirklichen konntest, bist du von dieser Welt gegangen. Möge deine Erde reich, dein Aufenthaltsort das Paradies sein. Amen.

Dein Vater, Süleyman Dayıcık





















Jeder Mensch findet seinen eigenen Weg, um mit Trauer umzugehen. Einige erinnern mit Worten, andere wortlos. Jeden dieser Wege gilt es zu respektieren. Wir danken der Familie von Roberto Rafael, dass sie ihr stilles Gedenken mit uns teilt.











































Jeder Mensch findet seinen eigenen Weg, um mit Trauer umzugehen. Einige erinnern mit Worten, andere wortlos. Jeden dieser Wege gilt es zu respektieren. Wir danken der Familie von Sabine Sulaj, dass sie ihr stilles Gedenken mit uns teilt.



















«Er war ein Vorbild für Andere»

Yasemin und Engin Kılıç über ihren Sohn Selçuk

YASEMIN Ich habe Selçuk immer als meinen Sonnenschein bezeichnet. Er war was ganz Besonderes.

ENGIN Als Selçuk auf die Welt kam, waren wir selbst noch Kinder. Ich war zwanzig und Yasemin achtzehn. Wir sind zusammen aufgewachsen und wir haben von Selçuk viel gelernt.

YASEMIN Er war für uns wie ein Freund. Wenn wir beide in der Arbeit waren, hat er auf seine kleinen Brüder aufgepasst.

ENGIN Er war eine verantwortungsbewusste Person, ein Vorbild für andere. Andere Eltern aus unserem Umfeld haben zu ihren Kindern gesagt «Nimm dir ein Beispiel an Selçuk!», weil er so respektvoll war. Bei uns in der Familie hat er eigentlich immer die großen Familienentscheidungen getroffen. Schon mit 13 oder 14 Jahren hat er lieber bei uns Erwachsenen gesessen und mitdiskutiert, statt am Tisch mit den Jüngeren zu sitzen.

YASEMIN Er hat uns in jeder Situation zum Lachen gebracht und Ideen gegeben. Er hat sich selbst als Löwe bezeichnet. Er war sehr sportlich. Schon mit vier Jahren hat er Thaiboxen angefangen und nur ein Jahr später Fußball. Schon im Kindergarten war er sehr beliebt. Deswegen war unser Zuhause immer voll.

ENGIN Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir mit ihm Probleme hatten. Er hat uns nie etwas verheimlicht, er war immer offen und mutig. Er wollte später auch bei BMW arbeiten, so wie ich. Sein Traumauto war ein Einser BMW. Deswegen habe ich ihn einmal auf die Arbeit mitgenommen und wir haben extra für ihn ein Fahrzeug konfiguriert. Ich habe alles für Selçuk getan. Von unserer Familie und unseren Freunden wurde ich geschimpft. Sie haben gesagt: «Du verwöhnst ihn zu sehr. Das kannst du nicht machen.» Aber ich musste es. Wenn das neue iPhone rausgekommen ist, bin ich los und habe es ihm gekauft. Ich wollte, dass er alles hat. Ich wollte ein Vater sein, der immer für ihn da ist.

YASEMIN Seinen letzten Geburtstag hat er mit über zwanzig Freunden zuhause gefeiert. Er wollte unbedingt zuhause feiern. Wir haben ihm als Eltern die Wohnung überlassen und waren bis Mitternacht unterwegs. (Yasemin lacht) Wir haben zusammen auch viel Quatsch gemacht. Besonders 2016, kurz vor der Tat. Wir sind zum Beispiel in unseren BMW gestiegen, ich habe mich ans Steuer gesetzt, wir haben die Musik extra laut aufgedreht und sind durchs Viertel gefahren. Selçuk war sehr hübsch. Wunderschön. Er war groß. Kräftig und trainiert. Er liebte es, längere Haare zu haben. Er band sie zu einem Zopf. Er hatte einen Ohrring. Sein Traum war es, sich irgendwann ein Löwen-Tattoo stechen zu lassen. Er hat sehr auf sein Äußeres geachtet. Gepflegt aus dem Haus zu gehen, war ihm wichtig.

ENGIN Er war ein Mutter-Kind. Was ich damit meine: Er hat seine Mutter immer geschützt. Und sie konnte nicht eine Nacht ohne ihn aushalten.

YASEMIN Es tut uns so weh, dass wir an dem Tag nicht da sein konnten und dich nicht beschützen konnten.

Yasemin Kılıç richtet einige Worte direkt an ihren geliebten Sohn Selçuk:

Mein liebes erstes Kind, als ich dich zum ersten Mal in meinen Armen hielt, war mein Herz voller Glück und Dankbarkeit. Du warst mein Licht, mein Stolz und meine größte Freude. Durch deine Augen sah ich die Welt mit neuer Hoffnung und Zuversicht. Jeder Moment, den wir miteinander verbracht haben, ist in meinem Gedächtnis eingraviert — von deinen ersten Schritten bis zu deinen letzten Worten. Du warst nicht nur mein Kind, sondern auch mein bester Freund, mein Vertrauter und mein größter Lehrer. Du hast mir gezeigt, was bedingungslose Liebe bedeutet, und hast mein Leben mit so viel Freude und Liebe erfüllt. Dein Lachen war meine Melodie und deine Umarmungen waren mein Zuhause.

Es schmerzt mich zutiefst, dass du viel zu früh von uns gegangen bist. Mein Herz ist gebrochen und mein Geist verwirrt. Doch auch in meiner Trauer spüre ich deine Nähe und deine Liebe, die mich trösten und stärken. Du warst mein Sonnenschein, mein Stolz und meine größte Freude. Die Erinnerungen an die gemeinsam verbrachte Zeit trage ich tief in meinem Herzen und sie geben mir Trost in dieser dunklen Zeit. Ich erinnere mich an all die glücklichen Momente, die wir geteilt haben, und ich halte sie fest, um mich in den schweren Momenten zu stützen. Du wirst immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben, mein liebes erstes Kind. Dein Vermächtnis wird durch die Liebe und die Erinnerungen, die du hinterlassen hast, weiterleben.

Mögest du in Frieden ruhen, und möge dein Geist immer über uns wachen.



«Jeden Moment suche ich nach dir, überall vermisse ich dich»

Von Hacı Dağ, Sevdas Ehemann, und den gemeinsamen Söhnen Koray und Sedat

Sevda Dağ wurde am 1. Juni 1971 in Kaman-Kırşehir in der Türkei geboren. In der Türkei absolvierte sie das Gymnasium und schloss eine Ausbildung zur Schneiderin ab. 1988 heirateten wir und zogen nur ein Jahr später nach Deutschland. Hier brachte sie unsere gemeinsamen Söhne Koray und Sedat zur Welt. Durch Weiterbildungen in Sprache und Beruf konnte Sevda sich einen Arbeitsplatz im Dienstleistungssektor sichern. Sevda war eine liebevolle, barmherzige und bescheidene Person. Sie war nicht nur fleißig und hilfsbereit, sondern auch ein humorvoller Mensch. Mit ihr war es friedlich und sie wurde sehr geliebt. Durch ihre fröhliche und fürsorgliche Art verbreitete sie ein positives Licht, um sich und für alle, mit denen sie zu tun hatte.

Sevda, dein Licht fehlt.

Anlässlich Sevdas 53. Geburtstags haben Hacı und seine Söhne diesen Brief an Sevda geschrieben und öffentlich geteilt:

Meine geliebte Ehefrau Sevda,

heute ist Dein Geburtstag und Du bist nicht hier. Es ist unmöglich, diesen Schmerz in Worte zu fassen. Wir vermissen Dich sehr. Mit jedem Atemzug erinnern wir uns an Dich.

Du warst nicht nur Ehefrau, sondern auch eine liebevolle Mutter, ein leuchtender Stern, der uns den richtigen Weg zeigte und eine Quelle der Inspiration und Stärke für uns war. Deine Liebe, Deine Freude und Dein Lachen brachten unser Zuhause zum Strahlen. Deine Wärme und Deine Gegenwart spüren wir in jedem Moment.

Wir hätten gerne jeden Moment unseres Lebens mit Dir geteilt. Wir hätten uns gewünscht, dass Du siehst, wie unsere Söhne aufwachsen und Erfolge erzielen. Aber das Schicksal war unerbittlich und hat Dich uns genommen. An Deinem Geburtstag gedenken wir Deiner mit Liebe und Sehnsucht. Wir hoffen, dass Du an einem friedlichen und glücklichen Ort bist. Wir vermissen Dich sehr. Du wirst für immer in unseren Herzen sein.

In Liebe, Dein Ehemann Hacı und Deine Söhne Koray und Sedat

Um seine Erinnerungen und Gefühle zu beschreiben, verfasste Hacı dieses Gedicht für seine Sevda. Koray Dağ übersetzte das Gedicht ins Deutsche.

Meine geliebte Sevda

Es war ein Sommerabend am 22. Juli 2016. Während die Sonne unterging, durchbohrte eine Kugel voller Hass dein Herz und nahm dich für immer von mir.

Achtundzwanzig Jahre teilten wir das Leben, mit dir, Mutter unserer beiden Kinder, meiner Weggefährtin. Wir hatten viele Träume und Hoffnungen. Diese verschwanden von einem Tag auf den anderen.

Unsere Söhne waren fünfundzwanzig und neunzehn Jahre alt, blieben hilflos in dieser dunklen Nacht. Nicht wissend, was sie ohne dich tun sollten, verzweifelten ihre Herzen zutiefst.

Jahre vergingen, die Schmerzen ließen nicht nach. Unsere Söhne wuchsen heran, gründeten Familien, sie erzielten Erfolge in ihren Karrieren, aber etwas fehlte, du warst nicht da, meine Liebste. Du konntest ihre Hochzeiten nicht sehen, konntest nicht stolz auf deine Kinder sein.



Oh, wenn du nur bei uns gewesen wärst. Wie sehr wir dich vermissen, mit unbeschreiblicher Sehnsucht.

Ich kann mich nicht an das Leben ohne dich gewöhnen. Die Leere deiner Abwesenheit füllt sich nicht, mein Schmerz ist immer noch frisch. Eines Tages werden wir uns sicher in jener himmlischen Ecke wiedersehen, bis dahin ruhe in Frieden, meine Liebste, neben den Engeln.

Mit deiner Liebe erhellten sich meine Tage. Jetzt ist mein Herz in Dunkelheit gehüllt. Ist es möglich, dich zu vergessen? Jeden Moment suche ich nach dir, überall vermisse ich dich.

Dieses Gedicht ist dir gewidmet, meine Liebste. Jedes der Worte habe ich mit meinen Tränen geformt. Ich hoffe, es gefällt dir und tröstet dich ein wenig. Ich werde dich für immer lieben. Vergiss nicht, dass du immer in meinem Herzen bist. Diese Liebe endet nicht.

In Gedenken an

Armela Segashi Can Leyla Dijamant Zabërgja Guiliano Kollmann Hüseyin Dayıcık Roberto Rafael Sabine Sulaj Selçuk Kılıç Sevda Dağ

















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Texte

Arberia Segashi | Sibel, Hasan und Ferit Leyla | M. Zabërgja | Gisela Kollmann | Gülfer, Sunay, Nayde und Süleyman Dayıcık | Yasemin und Engin Kılıç | Hacı, Koray und Sedat Dağ

Redaktion

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